Sirimavo Bandaranaike ein Nachruf Die Metapher vom lachenden und dem weinenden Auge verbietet sich, seit die amtierende Präsidentin Sri Lankas im Präsidentschaftswahlkampf 1999 durch ein
Attentat der LTTE ein Auge verlor. Die jetzigen Parlamentswahlen brachten ihr Freud und Leid. Während Chandrika Bandaranaike Kumaratunga mit dem Ergebnis
ihrer Peoples Alliance (PA) zufrieden sein kann, starb ihre Mutter Sirimavo Bandaranaike, kurz nach der Abgabe ihrer Stimme, an einem Herzanfall. Damit verstarb eine der bekanntesten Politikerinnen Asiens.
Sirimavo Ratwatte Dias Bandaranaike, die jetzt im Alter von 84 Jahren aus dem Leben schied, war erst im August als die weltweit älteste amtierende Ministerpräsidentin zurückgetreten. Sie war an die Spitze der Sri
Lanka Freedom Party (SLFP) getreten, nachdem ihr Mann S.W.R.D. Bandaranaike 1959 von einem buddhistischen Mönch erschossen worden war. Nach ihrem Wahlsieg 1960 war sie die erste Frau, die je in das Amt eines
Ministerpräsidenten gewählt wurde. 1964 ging die SLFP eine Zusammenarbeit mit der trotzkistischen Lanka Sama Samaja Party (LSSP)
und der Communist Party (CPSL)
ein. Sie verlor aber die Wahlen im Jahr 1965. In der Opposition kam es dann zur Bildung der United Front (UF) aus eben diesen drei Parteien. Die Wahlen von 1970 brachten der UF eine 2/3 Mehrheit im Parlament.
Mit Pieter Keuneman wurde ein Mitglied der CP Minister. Insgesamt waren die kleinen Partner LSSP und CPSL aber nur eine Ergänzung der mächtigen SLFP, die nach ihrer Abspaltung von der damaligen Regierungspartei
United National Party (UNP) zu deren größter Konkurrentin um die Regierungsmacht wurde. Die UF stand vor gewaltigen Problemen, u.a. wurden Schlüsselwirtschaften der Insel, das Finanzwesen und die
Plantagenwirtschaft mit Tee und Gummi immer noch von den Konzernen der einstigen Kolonialherren beherrscht. Zudem standen den
ländlichen Massen nur unzureichend nutzbares Land zur Verfügung. Zu den Versprechen der Wahl gehörten deshalb Verstaatlichung bzw. Nationalisierung und eine Landreform. Die Umsetzung dieses Versprechens
zögerte sich allerdings heraus. Die linksradikale „Volksbefreiungsfront“ Janatha Vimukhti Peramuna (JVP), ging
schließlich von ihrer Haltung der kritischen Solidarität zur militanten Opposition über. Die JVP ist eine in den 60er Jahren zunächst als Bewegung entstandene Partei. Von ihrer politischen Orientierung her gehörte
sie dabei in die Richtung der maoistischen Parteien unter den verschiedenen marxistisch orientierten Parteien Sri Lankas. Die JVP hatte ihre Agitation an die Bevölkerung des ländlichen Sri Lanka gerichtet und hier,
aus strategischer Einschätzung heraus, vor allem auf die singhalesische Jugend. Sie forderte rasche Maßnahmen. Diese wiederum waren mit wichtigen Teilen der SLFP und des IWF nicht zu machen. Die JVP bereitete
sich auf einen bewaffneten Aufstand vor, um notfalls ihre Interessen auch militärisch verfolgen zu können. Zudem zeigte sich, daß die Agitation der JVP gerade in den ländlichen Hochburgen der SLFP die Massen
erreichte. 1971 kam es zur militärischen Konfrontation zwischen der Regierung und der JVP. In dieser Auseinandersetzung erfuhr die Regierung Bandaranaike die Solidarität einer zu dieser Zeit ungewöhnlichen
Weltgemeinschaft. Die politischen Freundstaaten aus der arabischen Welt, der Sowjetunion und auch China unterstützten die Regierung ebenso wie Teile der westlichen Welt, ganz besonders die ehemalige Kolonialmacht
Großbritannien. Nach der Niederlage der JVP war diese in den Untergrund gezwungen. Ein Zustand, von dem sie dauerhaft erst seit 1994 wieder erlöst ist. Allerdings paart sich die strategische Ausrichtung auf die
singhalesische Jugend jetzt regelmäßig mit singhalesischen Chauvinismus. Die United Front Regierung unter Bandaranaike schuf 1972 erst einmal eine neue Verfassung. Aus dem damaligen Dominion of Ceylon wurde die
Republik Sri Lanka. Außenpolitisch engagierte sich Sri Lanka in der Blockfreienbewegung, dessen Treffen 1976 auf Sri Lanka stattfand. Innenpolitisch kam es zu Enteignungen ausländisch kontrollierter Unternehmen und
deren Umverteilung. Hiervon profitierten Landlose und Kleinbauern ebenso wie die einheimische Bourgeoisie, wenn auch nicht immer im erhofften Maße. Das gemeinsame Projekt eines demokratischen Sozialismus für Sri
Lanka allerdings kam nicht so recht voran. Deshalb verließ erst die LSSP und im Februar 1977 auch die CP die Koalition. Bei den für das gleiche Jahr angesetzten Neuwahlen erlitt die SLFP eine Niederlage, wie sie
deutlicher nicht hätte sein können. Nur acht ihrer Parlamentarier schafften den Wiedereinzug in das Parlament. Im Bündnis mit der Tamil United Liberation Front (TULF) und dem Ceylon Workers Congress (CWC) errang
die UNP eine so vollständige Mehrheit, daß sie tun und lassen konnte was sie wollte. Schon vor und nach der Wahl war es zu Ausschreitungen gegen die Mitglieder und Anhänger der UF und anderer linker
Organisationen gekommen. Die neue Regierung unter J.R. Jayewardene verbot die ehemaligen Regierungsparteien und noch einige andere Organisationen dazu. Sirimavo Bandaranaike wurden die bürgerlichen Rechte
abgesprochen und es dauerte etliche Jahre bis sie diese zurückerhielt. Die Regierungszeit der UNP sollte bis 1994 andauern. Erst da gelang es der neu formierten Peoples Alliance (PA), unter der Führung von
Sirimavos Tochter Chandrika, durch Wahlen erneut die Regierung zu übernehmen.
Das Land hatte sich inzwischen radikal gewandelt. Der seit der Unabhängigkeit 1948 schwelende Konflikt zwischen den sich auf die singhalesische Bevölkerungsmehrheit stützenden Regierungen und der tamilischen
Bevölkerungsminderheit eskalierte im schwarzen Juli von 1983 zum Krieg mit damals noch einer ganzen Vielzahl an Organisationen der Tamil Tiger genannten militanten tamilischen Separatisten. Von kurzen
Unterbrechungen abgesehen, dauert dieser Krieg noch heute an und hat schätzungsweise 60.000 Tote gefordert. Hinzu kommen weit mehr als 1. Mio. Flüchtlinge im In- und Ausland. Unter den tamilischen Separatisten
hatte sich schließlich die LTTE militärisch durchgesetzt und führte einen bitteren Krieg gegen die Regierung um den Norden und Osten der Insel. Eine ähnlich hohe Zahl an Todesopfern forderte 1987-89 ein
innersinghalesisch ausgetragener Konflikt zwischen der neoliberalen UNP-Regierung, ihren Sicherheitskräften und Todesschwadronen auf der einen Seite und erneut ihr gegenüber eine sich bewaffnende JVP. Die Regierung
fühlte sich von dieser bedroht und es kam zu Mord und Totschlag. Im Land entstanden Folterzentren und andere Einrichtungen, die kein Staat eingesteht. Auch die Wirtschaftspolitik wurde vollständig umgeworfen.
Die Politik der UF sollte die kleinen ländlichen Produzenten schützen, außerdem verstand sich die Regierung als dem Proletariat verpflichtet. Damit war es nach der Machtübernahme durch die UNP vorbei. Sie
tat das Gegenteil. Sri Lanka wurde dem Weltmarkt zum Fraße vorgeworfen, erkämpfte Rechte der ArbeiterInnen zurückgenommen bzw. ignoriert. Eine Ironie der Geschichte ist es, daß es die UNP war, die Sri Lanka
seinen heute gültigen Titel ‚Demokratische Sozialistische Republik Sri Lanka‘ gab. Er wurde eingeführt mit der 1978 in kürzester Zeit implementierten Verfassung. Kernstück dieser war die Stärkung der Zentralgewalt
und die Einführung der exekutiven Präsidentschaft, die dem dann ins Amt gehievten J.R. Jayewardene eine besondere Machtfülle zukommen ließ. Der im August 2000 gescheiterte Versuch, durch eine neue Verfassung die
exekutive Präsidentschaft wieder abzuschaffen und den Regionen mehr Selbständigkeit (kleine Autonomie) zuzuschreiben, markierte das Ende von Sirimavo Bandaranaikes politischer Tätigkeit. Sie trat vom Amt der
Ministerpräsidentin zurück. Dieses hatte sie 1994 von ihrer Tochter übernommen, die damals mit der PA erst eine Mehrheit im Parlament und schließlich auch das Präsidentenamt erobert hatte.
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