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Spekulation auf Kriegserfolg

Sri Lanka:

Spekulation auf Kriegserfolg

Wieder einmal steht Sri Lanka an Scheidewegen. Vor bald einem Jahr hatten die Regierungstruppen bei verlustreichen Gefechten weite Teile des von ihnen kontrollierten Gebiets im Norden der Insel räumen müssen. Schließlich fiel die strategisch wichtige Festung am Elephant Pass in die Hand der tamilischen LTTE. Die Befreiungstiger Tamil Eelams kämpften sich rasch bis kurz vor die Stadt Jaffna. Woraufhin die Regierung das Land ins sogenannte war footing versetzte, einen Kriegszustand.

Der Krieg im Tropenparadies herrscht auf Sri Lanka eigentlich ununterbrochen. Chroniken der Könige mehrerer Reiche künden davon. Es gab nur zuweilen Zeiten mit wenigen Toten. Zuletzt tobten soziale Kriege und eben ein ethnisch ausgeprägter, zwischen einer singhalesischen Mehrheitsregierung und einer, der militärisch stärksten Guerillaarmeen. Einer Armee, der die Regierungstruppen am Boden unterlegen waren. Was diese wiederum durch Luftangriffe und Flächenbombardements auszugleichen versuchte und dabei regelmäßigen Kolateralschaden anrichtete. Auch zur See wurden Gefechte ausgetragen.

Mittlerweile hat die Regierung die Kontrolle über die Jaffna-Halbinsel weitgehend zurückgewonnen. Allerdings waren ihr zwischenzeitlich gut 20.000 Soldaten desertiert, ein Sechstel des offiziellen Sollbestands. Hinzu kam eine erhebliche Anzahl an Toten und Verwundeten. Trotzdem konnte die Regierung das Blatt noch wenden. Hierbei kam ihr besonders internationale Waffenhilfe zugute. Für israelische kfir-Kampfflugzeuge wurde als Gegenleistung ein U-Boottest in sri lankanischen Gewässern zugelassen und es kam zur Wiederaufnahme von diplomatischen Beziehungen zu Israel, die aus Solidarität mit dessen arabischen Nachbarn einst abgebrochen wurden.

Während die Zivilbevölkerung jeweils die Hauptlast der Auseinandersetzung trägt, wird eine immer größere Zahl besonders der ländlichen Jugend zu Soldaten. Soldaten in einem Krieg, der inzwischen mehr als sechzigtausend Menschenleben gefordert hat.

Der Krieg verschlingt nicht nur die Menschen, sondern auch ganz nebenbei die Mittel der Gesellschaft. Und so explodierten mit den Erfolgen der neuen Waffen im Sommer nicht nur erneut die Kriegskosten, sondern auch, zusätzlich in der Hand des Shell-Monopols, die Öl- und Gaspreise, und natürlich die Verbraucherpreise.

Während im Vordergrund vor allem der ethnisch ausgeprägte Krieg sichtbar wird und die Last spürbar, treten in ihm die anderen dennoch zu Tage. Der neokoloniale Krieg ebenso wie der Krieg der nationalen herrschenden Klasse sowohl gegen die Mehrheit aus bäuerlicher Landbevölkerung und einer städtischen Arbeiterschaft, als auch innerhalb ihrer selbst.

 

So besteht Sri Lankas Gegenleistung für die Teilhabe an der Globalisierung in umfangreichen Privatisierungen und (Neo-)Liberalisierungen, vor allem der Märkte. Hierdurch wurden jeweils einige einheimische Kapitalisten etwas reicher und ein paar große Konzerne ein wenig mehr. Und ganz im vorbeigehen, wurden bestehende sozialen Konflikte verschärft.

Und damit sind die Erklärungsmuster nicht erschöpft. Denn es kommen weitere Konfliktparteien und Linien hinzu. So gibt es auch eine muslimische und eine christliche Minderheit und teilt sich die tamilische Bevölkerung, überwiegend Hindus, in die sogenannten ceylon und die indian tamils, hinzu kommen regionale Konflikte und Ansprüche sowie umkämpfte Privilegien durch Geburt in Kaste und Familie. Dies findet Wiedergabe in verschiedenen Organisationsformen und Zielen. So konkurrieren jeweils innerhalb der tamilischen als auch der singhalesischen Bevölkerung ursprüngliche Fischer- und Bauernkasten um die politische und wirtschaftliche Vormachtstellung. Etwa beanspruchen die Govi bzw. Goyigama die politische Herrschaft innerhalb der singhalesischen Gesellschaft, während die LTTE ihre Kader lange Zeit aus der Kaste der Karava, einer ehemaligen Fischerkaste, rekrutierte. Andere Kasten dominieren weitere Organisationen und so kommt vieles unter dem Deckmantel politischer Konflikte daher, was vor allem ein Konflikt um Vormacht und Privilegien einzelner Kasten und Familien ist. Auch in der Parteipolitik verhält es sich nicht anders. So hat die Familie Bandaranaike ihre herausgehobene Stellung als politische Herrscher über die Kolonialzeit hindurch bis in die Gegenwart gerettet, wo sie über ihre Hauspartei, die von ihr dominierte und am ehesten als sozialdemokratisch zu bezeichnende Sri Lanka Freedom Party (SLFP), regelmäßig die Regierung stellt. Aber Bandaranaikes (Goyigamas) sind nicht nur in der gegenwärtigen Regierungspartei, sondern auch in wichtigen Positionen der zur Zeit oppositionellen neoliberalen United National Party (UNP), der zweiten großen Partei der Insel.

Zum Tragen kommen auch regional begründete Rivalitäten. So besteht ein Verteilungskampf zwischen dem sich in der Tradition des letzten singhalesischen Königreiches verstehenden BewohnerInnen des zentralen Hochlands um Kandy, dem sogenannten Up-Country und dem Low-Country der schon früh kolonialisierten Küstenregion des Südwestens. Beanspruchen die Govi aus dem Up-Country ihre traditionelle Rolle als Elite, halten dem die Kaurava, eine ehemalige Fischer- und Kriegerkaste, des Low-Country ihre wirtschaftliche Potenz entgegen.

Was natürlich zu stark vereinfacht. Denn nicht jeder Govi kann auf eine lange Tradition als gesellschaftlicher Führer verweisen und nur die wenigsten Kaurava sind Millionäre. Trotzdem bestehen hier Zugehörigkeiten, Verpflichtungen, Solidarität und Abhängigkeiten.

Differenziert werden müssen ebenso die beiden tamilischen Ethnien. Die sogenannten ceylon-tamils verstehen sich, ebenso wie die Singhalesen als Ureinwohner. Was zwar nicht stimmt, denn diese, heute noch als kleine Gruppe der Vädda marginalisierte Ethnie, ist von eben jenen 'Erstgeborenen' weitgehend entrechtet worden, aber für die Begründung eines geschichtlichen Rechts reicht die bemühte Geschichte weit genug zurück. Während sich also Ceylon Tamilen und Singhalesen darum streiten, wer zuerst die Insel besiedelte und ein natürliches Herrschaftsrecht besitzt, gilt diese Argumentation für die sogenannten Indian-Tamils nicht. Diese wurden erst während der britischen Kolonialzeit auf die Insel geholt, als für die neu eingeführte Plantagenwirtschaft billige Kontraktarbeiter gebraucht wurden.

Nach der Unabhängigkeit wurde ihnen die Staatsbürgerschaft vorenthalten und erst Ende der 1980er gewährt.

Sie bilden noch heute vor allem im zentralen Hochland lebend, einen ländlich-proletarischen Bodensatz der sri lankanischen Gesellschaft. Ihre Organisierung weicht von denen anderer Ethnien ab. Eine ihre Hauptformen stellt der CWC, der Ceylon Workers Congress, dar. Der CWC ist ein Mittelding zwischen einer starken Gewerkschaft auf den Plantagen, und einer politisch-ethnischen Partei, die zur Zeit Teil der regierenden Peoples Alliance (PA) ist. Aber auch im CWC laufen die Fronten durch die Reihen. Als der jetzige Führer seinem Vater im Amt folgte, kam es zu internen Auseinandersetzungen, gerade mit der alten Garde. Und, während die Masse der Mitglieder einfache Landarbeiter sind, zählen einige der Führer mittlerweile zu den Großgrundbesitzern.

Von einer Einheit sind die Tamilen so sehr weit entfernt. Sie haben ihre eigenen Ausbeuter, wie Ausgebeutete. Allenfalls fühlen sie sich jeweils gegenüber den Singhalesen benachteiligt.

 

Konfliktpotential ist so ausreichend vorhanden. Dabei war das Jahr 2000 ein wirtschaftlich interessantes und, am sogenannten Wirtschaftswachstum gemessen, ein erfolgreiches Jahr.

Zahlreiche Konzerne und Unternehmen meldeten Rekordgewinne. Die Arbeitslosigkeit halbierte sich auf offizielle 7 %. Und zwischen den größeren Städten wurde Fiberglas verlegt, versucht, die technische Voraussetzung für den erhofften Datenhighway zu schaffen.

Auf einem der bekanntesten Exportbereiche, dem Tee, gab es Kuriositäten. Während zugleich der höchste Kilopreis aller Zeiten (272 US$/kg) geboten wurde, gab es auf den gleichen Auktionen unverkäufliche Chargen, für die kein einziges Angebot abgegeben wurde.

Allerdings hat Tee seine herausragende Stellung längst verloren. Denn mit rund 60% Gesamtanteil hat der Textilimport dem Tee den Handelsrang abgelaufen. In den sogenannten Freihandelszonen produzieren, auch zahlreiche deutsche, Unternehmen auf Kosten weitgehend entrechteter Arbeiterinnen billig. Gewerkschaften werden nicht zu gelassen und viele der Unternehmen lassen sich vom Bord of Investment (BOI) deren Fernhaltung aus den Produktionsstätten garantieren.

In dieser Situation war der Krieg im Nordosten deshalb nicht immer nur Last, sondern oft genug auch gesellschaftlicher Kitt für die Bevölkerungsmehrheit. Wenn es jetzt so aussieht, als könnte er demnächst zu Ende gehen, werden sich also neue Konflikte entfalten. Die Chancen für ein Kriegsende stehen in der Tat so gut wie zuletzt 1995. Damals hatte die LTTE die Friedensverhandlungen mit der Regierung beendet und im April im Hafen von Trincomalee zwei Kriegsschiffe durch Bomben versenkt. Was folgte, war eine Großoffensive der Armee, deren weitreichende Geländegewinne erst ab der zweiten Hälfte des Jahres 1999 rückgängig gemacht wurden. Die erfolgreichen Schlachten der LTTE forderten aber auch von dieser einen hohen Blutzoll. Momentan hat sie erhebliche Probleme ihre Kampfstärke aufrecht zu erhalten. Weshalb die Regierung fürchtet, daß hinter dem seit dem 23. Dezember 2000 verkündeten und immer wieder verlängerten Waffenstillstand durch die LTTE nichts anderes steckt, als der Versuch, sich für eine Weile reorganisieren zu können, um dann erneut wieder zuzuschlagen. Ein weiteres Moment wird in der Weltöffentlichkeit vermutet. Die Regierung unterstellt den Tigern, diese würden mit dem Waffenstillstandsangebot vor allem die internationale Karte ausspielen wollen. Hingegen war es der Regierung gelungen einen internationalen Bann als Terroristen über die Tiger zu verhängen, dem sich Ende Februar 2001 auch die britische Regierung anschloß. Dies war insbesondere deshalb ein harter Schlag für die LTTE, weil sich in London ihr internationales Hauptquartier befindet und ein Großteil der Kriegsfinanzierung durch international eingesammelte Spenden vorgenommen wurde. Ihr wurde also das Wasser abgegraben.

So wähnt sich die Regierungsarmee mittlerweile kurz vor einem entscheidenden militärischen Sieg und zeigt nur bedingtes Interesse an Gesprächen. Die Regierung steht derweil auf dem Standpunkt, Verhandlungen könnten auch geführt werden, während die Waffen sprechen. Ein Waffenstillstand kommt für sie nur dann in Frage, wenn die LTTE sich auf direkte Friedensgespräche einließe und wäre dann ein Ergebnis der Gespräche, nicht deren Voraussetzung. Anders sieht dies die LTTE, deren Führer Prabhakaran, auf einem seiner wenigen öffentlichen Auftritte, am 27. November 2000 erstmals seit langem, Friedensbereitschaft erkennen ließ.

Seine Rede zum 'Heldentag' erfolgte allerdings nach einer ganzen Serie von militärischen Niederlagen und den internationalen Bann vor Augen.

Was die Regierung in der Hauptstadt Colombo nicht zu unrecht als Zeichen der Schwäche wertete.

Jetzt, in dieser Phase, hat die Regierung Ende Januar 2001 beschlossen den Währungskurs freizugeben. Die Sri Lanka Rupie verlor innerhalb von kürzester Zeit 14% ihres Wertes und fiel im Verhältnis zum Dollar auf ein Verhältnis von eins zu neunundneunzig. Zwar hat sich der Kurs bereits kurz danach auf deutlich unter 1:90 korrigiert, unter dem Strich blieb jedoch eine Abwertung.

Beobachter der Situation erhielten dadurch ein neues Instrument. Denn die wirtschaftliche Lage wird so wesentlich durch den Krieg mitbestimmt, daß die Schwankungen durchaus parallel zum Kriegserfolg verlaufen, wenngleich eine Unzahl anderer Faktoren an ihnen schraubt.

Wichtiger als die Indikatorfunktion ist allerdings, daß sich durch die Freigabe ein neues Spekulationsfeld eröffnet hat. Entsprechend freudig reagierten sri lankanische wie ausländische Investoren darauf. Jetzt kann auf den Verlauf des Krieges auch mittels der Währung spekuliert werden.

Ob dabei die Spekulation der Mitte-Links-Regierung aufgeht, bleibt allerdings noch abzuwarten. Denn die wiederholte Ankündigung des norwegischen Unterhändlers Erik Solheim, ein Durchbruch stünde bevor, droht langsam abzunutzen, derweil sich die Spannungen im singhalesisch dominierten Süden täglich verschärfen und auf den staatlichen Plantagen heftige Lohnkämpfe ausgebrochen sind, denen die regierenden Sozialdemokraten (SLFP) und Kommunisten (CPSL) eher hilflos gegenüberstehen. Anders als ihre Gewerkschaften, die daran aktiv teilhaben und auch im Gegensatz zum CWC, der zwar politisch weiter rechts steht, die Kampffront aber anführt, obwohl auch er ein Teil der Regierung ist.

Hamburg 07.03.01

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