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Marxisten an der Macht?

Jetzt wüßte die Welt, was Sri Lanka erleidet, kommentierte sinngemäß die regierungsnahe Daily News mit Blick auf den Anschlag in den USA.

Und in der Tat, es gibt gewisse Parallelen, aber auch gravierende Unterschiede. In beiden Fällen zeichnet sich der militärische Konflikt durch eine gewisse Ungleichheit der Mittel aus, jeweils sterben vor allem auch Unbeteiligte, ist eines der Mittel gegen die Regierung der Terror explodierender Bomben.

Aber ab da hinkt der Vergleich. Während die Regierung Sri Lankas den Krieg auf ihrem Staatsgebiet austrägt und Bombenterror in der Hauptstadt Colombo zwar nicht zum alltäglichen Erleben, aber schon zum Alltag gehört, traf es die USA in dieser Weise erstmalig, und der Rest des militärischen Krieges wird wohl zunächst außerhalb des amerikanischen Kontinents fortgesetzt werden. Auch sind die Dimensionen einfach nicht vergleichbar. Während der Feldzug des christlichen Abendlandes gegen 'den muslimischen Terrorismus' droht, die Welt in Brand zu setzen, droht der Insel schlichtweg der staatliche Zerfall sowie der weitere Verlust menschlichen Lebens.

Der Krieg mit den separatistischen Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) hatte sich weiter zugespitzt und am 24. Juli, pünktlich zum Jahrestag der blutigen Pogrome von 1983, einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Damals, im schwarzen Juli, wie er auf Sri Lanka genannt wird, spitzten sich die Ereignisse derart zu, daß der lange schwelende Konflikt in einen offenen Bürgerkrieg überging. Im Jahr 2001 nun gelang es der LTTE, mit einem spektakulären Selbstmordattentat, einen Nerv Sri Lankas zu treffen: Die Tourismusindustrie.

Im Morgengrauen überfiel ein Kommando den einzigen internationalen Flughafen auf der Insel. Die Bilanz des Angriffs auf den Bandaranaike International Airport in Katunayake, nur etwas über 30 km von Colombo entfernt: sechs Flugzeuge, die Hälfte der Luftflotte von LankanAir, die inzwischen längst einer nahöstlichen Fluglinie gehört, bleiben auf unbestimmte Zeit in Reparatur. Drei der Airbusse waren so stark zerstört, das sie nicht mehr zu reparieren waren. In gleicher Weise traf es eine ähnliche Anzahl an Militärmaschinen.

Der Schaden für die Tourismusindustrie läßt sich noch gar nicht richtig abschätzen. Die Zahl der weltweiten Flüge wurde jedenfalls erst einmal erheblich zusammengestrichen. Schlimmer ist, daß die Buchungen zurück gehen. 150.000 Arbeitsplätze in der Tourismusbranche sind, nach Angaben der Regierung, unmittelbar bedroht.

Zu diesem Zeitpunkt steckte das Land bereits in einer schweren Krise. Mit dem Austritt des Muslim Congress (SLMC) aus der regierenden People's Alliance (PA) hatte diese ihre parlamentarische Mehrheit verloren. Die vereinigte Opposition brachte ein Mißtrauensvotum ein und die Regierung drohte zu stürzen. Die Präsidentin reagierte mit einem Mittel, das ihr die gegenwärtige Verfassung gewährt. Sie setzte das Parlament aus und berief eine Volksabstimmung für eine neue Verfassung ein. Der Termin wurde zunächst vom 21. August auf den 18. Oktober verschoben und dann ganz ausgesetzt.

Zwischenzeitlich hatten sich die politischen Paradigmata verschoben. Die PA hatte zunächst mit der größten Oppositionspartei, der neoliberalen United National Party (UNP) verhandelt. Nach nur zwei Tagen waren die Gespräche um die Bildung einer Nationalen Regierung gescheitert. Und dann geschah das, was viele für unmöglich hielten, jedoch seit der Parlamentswahl im Oktober 2000 denkbar war. Es kam zu einem Vertrag über Zusammenarbeit mit der Volksbefreiungsfront JVP (Janatha Vimukthi Peramuna). Ihr Memorandum of Understanding (MoU) ist eine widersprüchliche und interessante Wendung in der Entwicklung. Aber keine, die zwangsläufig zu Frieden führt.

Zunächst hatten sich beide Seiten scharf kritisiert: die Regierung sei korrupt und ein Handlanger des IWF hieß es von der JVP, die Regierung wiederum hielt der JVP die mörderischen Auseinandersetzungen von 1971 und 1989 vor.

Dann kam es zu plötzlichen Anzeichen einer Annäherung, diese gipfelte schließlich in der Absage an die Volksabstimmung und der vorzeitigen Wiedereinberufung des Parlaments. Zwei der vereinbarten Punkte. Statt dessen sollen fünf unabhängige Kommissionen zur Überwachung von Staatsorganen bzw. staatlichen Eingriffen (z.B. Wahlen, Polizei, Medien) eingesetzt werden. Außerdem soll ein Verfassungsrat für eine neue Verfassung gebildet werden.

Letzteres ist ein Kernanliegen der Volksallianz. Vorläuferin der PA war in gewisser Weise die United Front (UF), die Regierungskoalition von 1970-77. Damals hatte das Bündnis aus der eher sozialdemokratischen Sri Lanka Freedom Party (SLFP), der sich trotzkistisch verstehenden Lanka Sama Samaja Party (LSSP) und der Kommunistischen Partei (CPSL) die Macht gegen die UNP errungen. Damals wie heute war ihre dominierende Kraft die SLFP, die Partei, welche mit dem Namen Bandaranaike verbunden ist. Denn mittlerweile steht nach Solomon W.R.D. (1956-59)  und Sirimavo Bandaranaike (1960-65 und 1970-77) mit Chandrika Bandaranaike (seit 1994) Kumaratunga die dritte Bandaranaike an der Spitze des Staates.

Der vernichtende Wahlsieg der UNP von 1977 führte u.a. zu einer  neuen Verfassung, als auch zu einem neuen Staatsnamen. Die Republik war von nun an die Demokratische Sozialistische Republik Sri Lanka. Zugleich wurde für den dann amtierenden Präsidenten Jayawardene die Möglichkeiten zur autoritären Machtausübung geschaffen. Eine Möglichkeit, die die PA eigentlich abschaffen wollte, jetzt aber für ihr Überleben genutzt hat (siehe).

Der gesamte Katalog der Vereinbarungen umfaßt insgesamt 28 untergliederte Punkte, die sich auf einige Kernlinien zusammenfassen lassen und die zu einem großen Teil Punkte ihres ursprünglichen Programmes von 1994 darstellen. Ein Programm, an welche die JVP die PA erinnert hätte, wie deren Generalsekretär betonte.

Zu den beachtsamsten Wendungen gehört eine Absage an Privatisierungen, eine IWF-Forderung, die sich in ausbleibenden Krediten und Entwicklungshilfe rächen könnte, wobei Sri Lanka zu den Schwerpunktgebieten der deutschen GTZ gehört.

Der IWF wird warten müssen. Denn das für genau ein Jahr geltende Vertragswerk, an dessen Ende Neuwahlen stehen sollen, sieht vor, daß gerade jene Schlüsselbereiche, die der IWF einfordert, zumindest in dieser Zeit nicht weiter privatisiert werden. Hierzu gehören Ressourcen wie Wasser oder Strom, aber auch Versicherungen, Banken und Plantagen. Ebenso soll es keine Privatisierungen des Schul- und Hochschulwesens geben.

Weiter wurde vereinbart, Maßnahmen zur Verhinderung eines weiteren Anstiegs der Preise für wichtige Güter der Grundversorgung einzuleiten. Zu den ausdrücklich genannten Gütern gehören: Treibstoff, Gas, Strom und Wasser sowie Milchpulver, Zucker, Mehl und Arzneimittel. Außerdem sollen die Fahrpreise für den öffentlichen Verkehr subventioniert werden. Zusätzlich sollen umgerechnet 150 Mio. Mark aufgewendet werden, um die bäuerliche Bevölkerung zu stützen.

Woher dieses Geld kommen soll, bedarf allerdings einiger Phantasie. Die ebenfalls vereinbarte Einzahlung der Hälfte der Einnahmen aus Regierungs- und Parlamentstätigkeit in einen Konsolidierungsfond wird hierfür wohl nicht ausreichen. Die verordnete Bescheidenheit wird so wohl vor allem symbolischen Charakter haben, insbesondere weil sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert.

Mittlerweile wurde Sri Lanka in drei Zonen aufgeteilt, die jeweils im Wechsel für mehrere Stunden vom Elektrizitätsnetz genommen werden. Der Grund dafür ist seit Monaten ausbleibender Regen. Dies ist eigentlich schon so ein gewaltiges Problem, die große Abhängigkeit von der Wasserkraft potenziert es.

Gegen die Stromknappheit sollten neue Generatoren aus den USA helfen, doch die Ereignisse dort führten zu einer Verzögerung der Lieferung, derweil auf der Insel täglich neue Dürremeldungen erscheinen und die meisten Wasserkraftwerke nicht mehr ausreichend Wasser führen.

So ist die Ausgangssituation trotz der zunächst überwundenen Verfassungskrise denkbar ungünstig und dies gilt erst recht für den Bürgerkrieg im Norden. Die Stützung durch die JVP könnte diesen Konflikt sogar weiter verschärfen.

Die JVP hat versprochen, die Regierung solange parlamentarisch zu stützen, wie diese sich an das Abkommen hält. Allerdings auch nur bis zu seinem datierten Ende. Einen Eintritt in die Regierung lehnt sie ab.

Trotzdem stellt diese Zusammenarbeit, zwischen einer eher sozialdemokratischen Partei und drei sich selbst als Vertreter marxistischen Hauptrichtungen verstehenden Parteien, ein Novum dar.

Während der UF-Regierungszeit stand die eher maoistische JVP zunächst in 'kritischer Solidarität' zur Regierung, geriet aber rasch mit ihr in Konflikt. Die JVP forderte beispielsweise raschere und umfangreichere Verstaatlichungen, als die Regierung durchsetzte. Nach größeren Kundgebungen kam es 1971 zu einem vor allem von singhalesischen Jugendlichen auf dem Land getragenen Aufstand, der die Regierung an den Rand einer Niederlage brachte.

Eine internationale Allianz, über alle damals bestehenden Blöcke hinweg, stützte die Regierung. Die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien ebenso wie die sozialistische Sowjetunion und sogar China. Der Aufstand wurde mit tausenden Toten niedergeschlagen. Die Militarisierung des Staates war beschleunigt. Sri Lanka gab bis zu diesem Zeitpunkt rund 1% seiner Staatsausgaben für sein Militär aus. Ein Satz, der sich seit dem steil nach oben entwickelt hat.

In Folge des Machtwechsels von 1977 kam es zu schwerwiegenden Veränderungen. Eine Verfassungsänderung führte eine Form der besonderen Konzentration der Macht auf den Präsidenten ein, die Exekutive Präsidentschaft, die staatliche Macht wurde weiter zentralisiert, linke Parteien verboten, die Märkte liberalisiert.

1983 dann kam es zum offenen militärischen Konflik im Nordosten. 13 Soldaten der Armee waren bei einem Anschlag militanter Tamilen getötet worden. Der Präsident Jayewardene ließ die Toten in der Hauptstadt aufbahren. Wenig später zog ein mit Einwohnerkarteien ausgestatteter singhalesisch-nationalistischer Mob mordend und brandschatzend durch die Stadt. Der Konflikt der vor allem die singhalesische Bevölkerungsmehrheit vertretenden Regierung mit den verschiedenen, als tamil tigers bezeichneten militanten tamilischen Gruppen war nicht mehr aufzuhalten.

Die Mehrzahl dieser Gruppen verstand sich damals als sozialistisch oder revolutionär. Trotzdem oder deswegen gerade gerieten diese auch untereinander in Konflikt. Diesen entschieden schließlich die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) für sich. Seitdem sind sie die entscheidende, der Regierungsarmee gegenüberstehende, Kriegspartei.

Als 1987 die Regierung einen Vertrag mit Indien schloß, der die Bildung einer vereinigten Nord-Ost-Provinz und die Stationierung der sogenannten Indian Peace Keeping Forces (IPKF) in den überwiegend tamilisch besiedelten Gebieten vorsah, opponierte hiergegen nicht nur die LTTE, sondern auch die JVP. Die JVP sah hierin eine imperialistische Einmischung und fürchtete die Teilung der Insel. In der Folge kam es zu einem blutigen Bürgerkrieg zwischen der UNP-Regierung und der JVP im Süden der Insel, also unter der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit, den die Regierung unter Präsident Premadasa (1989-93) schließlich niederschlug.

Elemente der damaligen Entwicklungen treten jetzt erneut als Konfliktpotential hervor. Die Sprengladung steckt im so genannten Devolution-Paket, dem Kern der geplanten Verfassungsänderung.. In der Devolution sieht die regierende Volksallianz den Königsweg aus den gegenwärtigen Krisen. - Und die sind teils recht unterschiedlicher Natur.

Zwar ist das ursprüngliche Paket in den Verhandlungen der letzten Jahre reichlich aufgeweicht, aber zu umfassend, um im Parlament eine 2/3-Mehrheit zu erhalten. Devolution meint verschiedene Formen der Umverteilung staatlicher Macht. Die 1987 vereinbarte Bildung der Nord-Ost-Provinz etwa soll nun endlich vollzogen werden. Ebenso soll zentralstaatliche Macht auf Provinzen und kommunale Gliederungen übertragen werden. Einen anderen Schwerpunkt bilden die Abschaffung der exekutiven Präsidentschaft und ein neues Wahlrecht.

Die JVP ist seit den Parlamentswahlen im Oktober 2000 mit landesweit 5,99 % der Stimmen die dritte parlamentarische Kraft und verfügt über 10 Abgeordnete. Das sind 4,4 % der Parlamentarier. Ein anderes Wahlsystem hätte ihr möglicherweise 14 Mandate beschert. Hingegen garantierte das bestehende Wahlsystem der mit der Volksallianz verbundenen und überwiegend muslimisch geprägten National Unity Alliance (NUA) mit 2,28 % und 4 Mandaten ebenso wie den tamilischen Parteien TULF (1,22 %, 5 Mandate) und EPDP ( 0,58 %, 4 Mandate) parlamentarische Vertretung.

Besonders umstritten sind die im Paket enthaltenen Autonomieangebote für eine selbstverwaltetere Nord-Ost Provinz. Singhalesische Nationalisten lehnen "die Teilung" des Landes ab, andere fürchten dies als ersten Schritt in diese Richtung. Aus Sicht der JVP, die vor allem im singhalesischen Süden der Insel verankert ist, handelt es sich bei den ethnischen Auseinandersetzungen um einen Nebenwiderspruch, dessen revolutionärer Auflösung sie sich nun wohl etwas näher wähnen dürfte. Den tamilischen Parteien hingegen gehen die Angebote nicht weit genug..

Eine tatsächliche Einigkeit zwischen Volksallianz und Volksbefreiungsfront besteht wohl nur in der Abschaffung der exekutiven Präsidentschaft und der Rückverlagerung der Macht vom Präsidenten auf  Premierminister und Parlament.

Die eigentliche Herausforderung wird aber weiterhin ein Ende von Krieg und Terror sein und dies wird sich nur politisch, letztendlich am Verhandlungstisch entscheiden. Das die militärische Lösung das Problem nicht beseitigen kann, das genau hat eben der Konflikt auf Sri Lanka gezeigt.

Dieser setzte indes seine eigenen Zeichen. Am Tag vor der Wiedereröffnung der New Yorker Börse, griffen Kampfboote der LTTE einen von Kriegsschiffen eskortierten Transporter an. An Bord befanden sich 1269 Armeeangehörige. Die Angreifer benutzten hierzu auch kleinste, für ein Selbstmordattentat umgerüstete Wasserfahrzeuge, bestehend im wesentlichen aus Sprengsatz und Aufschlagzünder. Der Angriff mißlang an diesem Morgen.

Drei Tage später gab es Menschenketten für den Frieden. Eine Kampagne "Sri Lanka First" hatte hierzu mobilisiert.

 

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