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Flucht

Flucht nach vorn und zurück

Auf  Sri Lanka hat die amtierende Präsidentin Chandrika Kumaratunga Bandaranaike in der Nacht vom 10. auf den 11. Juli das Parlament für zwei Monate, bis zum 7. September, suspendiert. Sie kam damit einem gegen ihre Regierung laufenden Mißtrauensvotum, das in dieser Woche behandelt werden sollte, zuvor. Gleichzeitig wurde eine Volksabstimmung über eine neue Verfassung für den 21. August angesetzt.

Die regierende Volksallianz (People's Alliance, PA) hatte durch den Austritt von sieben Abgeordneten des Sri Lanka Muslim Congress (SLMC) aus der Regierungskoalition ihre Mehrheit im Parlament verloren.

Der jetzige Schritt erfolgte, nachdem 115 Mitglieder des 225 Sitze zählenden Parlaments die Behandlung des Mißtrauensvotums für den 18.7. gefordert hatten. Die Volksallianz, eine Mitte-Links Koalition um die sozialdemokratische Sri Lanka Freedom Party (SLFP), der auch die, sich selbst als trotzkistisch bezeichnende, LSSP und die Kommunistische Partei (CPSL) angehört, verfügt nur noch über 109 Mandate, womit sie allerdings weiterhin die stärkste Fraktion stellt. Sie hätte damit die Abstimmung verloren, wäre gleichwohl aber mit der erneuten Regierungsbildung beauftragt worden. Denn die zur Zeit geeinte Opposition steht sowohl links als auch rechts von ihr.

Der gegenwärtige Verlauf zeigt jedoch deutlich, daß die PA-Regierung um ihr Überleben kämpft.

Die eingeleiteten Schritte sind dabei zweischneidig. Im Grunde handelt es sich dabei um eine Diktatur gegen die Möglichkeit der Diktatur. Die Möglichkeit hierzu gibt, fast ironisch, die gegenwärtige Verfassung von 1978, deren Ersetzung zu einem der Hauptziele der gegenwärtigen Regierung zählt. So soll etwa die exekutive Präsidentschaft, deren Mittel die amtierende Präsidentin jetzt nutzt, abgeschafft werden.

Das gesamte Schauspiel verdreht dabei die Rollen. Denn die von 1977-1994 regierende neoliberale United National Party (UNP), in deren Zeit blutige Pogrome gegen Tamilen und linke singhalesische Gruppen statt fanden, stellt jetzt die Partei der Demokraten dar, ist aber abhängig von den zehn Mandaten der Volksbefreiungsfront (JVP), am ehesten als Maoisten zu bezeichnenden Nationalisten. Also kein Garant für einen tatsächlichen Regierungswechsel.

Die JVP und die damalige UNP-Regierung lieferten sich Ende der 1980'er einen blutigen Bürgerkrieg im Süden der Insel, bei dem rund 60.000 Menschen starben. Das sind etwa genauso viele Menschen, wie bisher durch den Krieg der singhalesisch dominierten Regierung mit den seperatistischen Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) ums Leben kamen.

Durch die Reihen der Opposition, aber auch der PA-Koalition geht insbesondere aber der Streit um eines der Hauptanliegen des neuen Verfassungsentwurfes, der 'Devolution' genannten Dezentralisierung staatlicher Macht, im Prinzip des Versuches kleiner regionaler Autonomien, insbesondere dort, wo nicht-singhalesische Bevölkerungsmehrheiten bestehen. Hiergegen laufen die verschiedenen Gruppen der Sinhala-Buddhisten Sturm. Den Mehrheitschauvinisten war es bereits im August 2000 gelungen, den vorgelegten Entwurf zu verhindern, welcher jetzt zur Abstimmung vorgelegt wird.

Die Regierung selbst hatte bis zuletzt versucht, zu einer Einigung mit der UNP als größter Oppositionspartei (89 Sitze) zu gelangen und lange Zeit stand das Gespenst einer großen Koalition im Raum, eine Konstellation, die die PA als Bündnis vermutlich nicht überlebt hätte. Hiervon abgekommen, versuchte die Regierung schließlich, durch einen Schritt zurück, die Flucht nach vorn. Seitdem gehören verstärkt die Rhetorik von der Wahrung der Nationalen Einheit und des Klassenkampfes zum Repertoire der Propaganda. Zudem versucht die Regierung die Preise für Bedarfsgüter wie Milchpulver und Gas zu senken.

Der Ausgang des Machtkampfes ist indessen ungewiß. Sowohl die UNP als auch die JVP haben für die jetzt vergangene Woche (16. - 20.07) unabhängig voneinander Massendemonstrationen angekündigt, derweil die Regierung die Hauptstadt Colombo zur Hochsicherheitszone erklärt hat.

Es besteht so schließlich die Gefahr, daß es sich nicht nur um einen temporären Schritt rückwärts handelt, sondern sich hieraus eine dauerhafte Verschärfung der Konflikte entwickelt.

Hamburg, 13.07.2001

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