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Blockbildung und Klassenkampf

Auf Sri Lanka polarisieren sich die Kräfte

Wenn am 5. Dezember in der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka, so der offizielle Staatsname, die vorgezogenen Wahlen stattfinden, werden sich die WählerInnen für eine eindeutigere politische Richtung entscheiden, als sie von der bisher regierenden Volksallianz (PA) vertreten wurde.

Als einzig sichere Gewinnerin erscheint zur Zeit die Volksbefreiungsfront JVP. Diese hatte im Sommer die Chance genutzt, während einer schweren Verfassungskrise der schwächelnden Regierungskoalition beizustehen und mit dieser ein Duldungsabkommen geschlossen. Die so zunächst entschärfte Krise brach jedoch im Oktober erneut aus,

als kurz vor einem Mißtrauensvotum eher rechtsgerichtete Parlamentsabgeordnete die nun von der linksradikalen JVP gestützte Mitte-Links-Koalition verließen, darunter Minister und Stellvertretende Minister.

Die Regierung hatte keine eigene Mehrheit mehr. Daraufhin rief die direktgewählte Präsidentin, aufgrund der bestehenden Verfassung mit ungewöhnlich weitreichender Macht versehen, nur ein Jahr nach den letzten Wahlen vorgezogene Parlamentsneuwahlen aus.

Die JVP kann auf den Erfolg der Durchsetzung populärer Forderungen, insbesondere den Verzicht auf weitere Privatisierungen in Schlüsselbereichen, verweisen und dürfte ihre bisherige Position ausbauen. Wahlforscher schätzen, daß sie ihren Anteil von 10 auf 15 Mandate erhöhen wird.

Völlig ungewiß ist jedoch, wie die restlichen Parteien abschneiden werden und davon hängt die eigentliche Entwicklung ab.

Dies gilt besonders für die zur Zeit amtierende Volksallianz und die wichtigste Konkurrenzpartei, die Vereinigte Nationalpartei (UNP), die bei dieser Wahl einen Großteil der regierungskritischen Parteien unter dem Dach der Vereinigten Nationalen Front (UNF) versammelt hat.

Dies ist auf Grund der Abspaltungen aus der Regierungskoalition mehr als bei der letzten Wahl eine deutliche Entscheidung zwischen links und rechts. Zumindest auf dieser klassischen Skala. Eine andere bedeutende Größe kommt noch hinzu: Ethnizität und Nationalismus.

Ob der Elefant, das Symbol der UNP, jetzt nach seiner Abwahl 1994 wieder an die Macht kommt oder der Stuhl für die PA diese verteidigt, wird auch von dieser Frage abhängen.

Während sich die muslimischen Parteien auf die beiden Hauptblöcke verteilen und die beiden wichtigsten Parteien der sogenannten indian tamils bzw. upcountry people wie sie sich oft selbst nennen, auf die Seite der UNF gestellt haben, haben mehrere der wichtigsten Parteien der sogenannten Ceylon- bzw Eelam-Tamilen sich unter Name, Farbe und Symbol der Tamilischen Vereinigten Befreiungsfront (TULF) zur Tamil-Alliance zusammengefunden.

Sie werden mit der Partei sein, die ihnen den weitestgehenden Schritt in Richtung auf einen unabhängigen tamilischen Staat bedeutet. Und dies scheint zur Zeit die UNP zu sein.

Hinzu kommt noch eine weitere parlamentarische Kraft. Die singhalesisch-nationalistische Sihala Urumaya (SU). Im letzten Wahlkampf war es ihr gelungen mit ihrem Nationalismus im Namen der größten Bevölkerungsgruppe den Wahlkampf entschieden mit zu prägen. Wenngleich ihre parlamentarische Vertretung unbedeutend blieb. Auch in diesem Urnengang wird die Haltung gegenüber tamilischen Seperationsbestrebungen und insbesondere wie mit der tamilischen Befreiungstigern von der LTTE ein ‚dauerhafter Friede‘ hergestellt werden kann, von entscheidender Bedeutung sein, gleichwohl sich ein verbaler Klassenkampf in der politischen Propaganda nach vorne schiebt.

Zu den Leitmotiven gehören hier: Ausverkauf ins Ausland sowie die persönliche Bereicherung verschiedener Dissidenten und deren Auskauf aus der Regierung.

Einem der ehemaligen stellvertretenden Minister wird z.B. neben etlichen anderen Verfehlungen vorgeworfen für die Summe von 30 Mio. Rupien, das sind umgerechnet 7,3 Mio. DM die Regierungsbank verlassen und bei der Opposition Platz genommen zu haben.

Hingegen wird die PA kritisiert, eine reichenfeindliche und sinhala-buddhistisch chauvinistische Propaganda zu betreiben. In noch viel weiterem Sinne wird dies der JVP vorgeworfen. Zwei wahrscheinlichen Partnern nach der Wahl, egal wie sie ausgeht.

Die Kritik kommt hierbei von links bis rechts und besonders von Parteien, die nicht mehrheitlich singhalesisch sind.

Tatsächlich ist für beide der Parteien eine Teilung der, in ihrer territorialen Größe mit Bayern oder der Republik Irland vergleichbaren, Insel undenkbar. Sie sehen die Lösung der Probleme in einer Verfassungsänderung mit weitreichenderer Autonomie als bisher bzw. in einer Revolution.

Allerdings ist es auch so, daß die eigentliche Machtbasis beider das ländliche, singhalesische Sri Lanka ist. Hingegen sind die Hochburgen der UNP eher die Städte.

Im Norden und Osten entfallen auf alle drei Parteien jeweils die niedrigsten Einzelergebnisse. Hier werden die Mehrheiten von tamilischen oder muslimischen Parteien und lokale Listen errungen.und damit auch jeweils die Mehrzahl der dortigen Direktmandate. 196 der 225 Sitze in Sri Lankas Parlament entfallen als Direktmandate nach Distriktswahl. Die Restlichen auf die Landeslisten.

Freilich bei oft geringer Wahlbeteiligung in dieser Region und auch nur insoweit, wie eine reguläre Wahl in teilweise umkämpften Gebieten überhaupt durchführbar ist. Hinzu kommt, daß dort mit einer mächtigen Partei, die nicht selbst bei dieser Wahl antritt aber als ein unübersehbarer Faktor vertreten ist, zu rechnen ist: der militärisch und mit Überfällen, Anschlägen und Selbstmordattacken operierenden LTTE.

Der militärische Konflikt selbst dauert inzwischen so lange, daß viele der heute kämpfenden sich nicht mehr erinnern können, wie er einmal begann.

Jetzt scheint allenthalben ein showdown erwartet zu werden, der zur Bündelung der Kräfte zwingt. Die Regierung selbst verweist darauf, daß die tamilischen Parteien mit ihrem Zusammenschluß der nachdrücklichen Forderung der LTTE folgt. Deren Vorfeldorganisationen hätten allen tamilischen Politikern gedroht, die nicht einheitlich die Sache eines eigenen Staates unter einem Dach vertreten würden, müßten mit Folgen rechnen – und die sind bekanntermaßen oft endgültig.

Der Wahlausgang ist bis zum Schluß offen. Die angestrebten 120 Direktmandate wird die PA wohl nicht erreichen, so daß eine Fortsetzung der Kooperation mit der JVP zu einer der beiden Hauptmöglichkeiten gehört.

Demgegenüber steht die Abwahl durch eine Mehrheit aus der Tamil Alliance und der UNP.

Dies würde zwangsläufig die sinhala-buddhistische Komponente aktivieren und bei sinhgalesischen Nationalisten und Vertretern des Buddhismus einen Sturmlauf gegen die befürchtete Teilung des Landes auslösen. Für sie ist Sri Lanka die Insel der Singhalesen und die Heimstätte des Buddhismus. Eine Teilung mit Tamilen respektive Hindus kommt für sie nicht in Frage. Hinzu kommt da auch die bislang nur durch die Landesliste mit einem Mandat vertretende Sihala Urumaya. Sie vertritt am deutlichsten diese Position.

Sturmlaufen würde auch die "abgewählte" Mehrheit, deren Kopf, die Präsidentin im Amt bliebe.

Der Kampf gegen die Reichen wird von deren politischen Vertretern ebenso kritisiert wie von der trotzkistischen NSSP , die selbst nicht im Parlament vertreten ist.

Die einen aus Furcht vor Angriffen auf ihren Wohlstand, die anderen weil ihnen diese Politik zu ungerichtet ist, ohne mit einem wirklichen Lösungsansatz versehen zu sein..

Im Hintergrund steht aber auch, daß der Duldungsvertrag zwischen der JVP und der PA Privatisierungen begrenzen wollte und zumindest verbalradikal beide Organisationen eine globalisierungskritische Position beziehen..

Auf internationaler Bühne verdeutlichte dies die Präsidentin bei einer Rede am 29.10. über ‚Demokratie und Terrorismus‘ vor Studierenden im britischen Oxford. Hier verknüpfte sie die Frage des einheimischen mit dem internationalen Terrorismus und verband beide mit der fortgesetzten Ausbeutung durch den globalisierten Kapitalismus und den durch die Kolonialzeit mit der Politik des Teile und Herrsche angelegten Wurzeln. Viele ihrer HörerInnen dürfte sie damit geschockt haben. Die Rede selbst war wohl besonders auch für die heimische Leserschaft bestimmt, wo sie in der regierungsnahen Daily News (15.11.) trotz ihrer Länge, abgedruckt wurde.

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