Sri Lanka:
Parlament aufgelöst - Parlamentswahlen am 10. Oktober
Nach dem Scheitern der von der regierenden People's Alliance (PA) eingebrachten neuen Verfassung im Parlament, - eine notwendige 2/3 Mehrheit kam nicht zustande -, hat Präsidentin Chandrika Bandaranaike Kumaratunga das Parlament mit Wirkung vom 18. August, eine Woche vor dem Ende der regulären Legislaturperiode, dem 25. August, aufgelöst und einen Termin für Neuwahlen festgesetzt.
Bis zum 4. September haben insgesamt 41 Parteien die Möglichkeit, ihre Kandidaten zu benennen. Zehn weitere Parteien bemühen sich z.Z. um ihre Zulassung. Nach einem fünfwöchigen Wahlkampf werden dann, am 10.
Oktober, die WählerInnen über die zukünftige Regierung entscheiden.
Von den 12.071.101 wahlberechtigten EinwohnerInnen Sri Lankas wird erwartet, daß sie sich mehrheitlich erneut hinter die mittig-linke People's Alliance stellen.
Die größte Konkurrenzpartei, die neoliberale United National Party (UNP), mußte in den letzten Monaten verschiedene Abspaltungen hinnehmen und leidet an einer Führungskrise. Zudem haben mehrere ihrer
Parlamentarier die Fronten gewechselt und auf Seiten der Regierung Platz genommen.
Sri Lanka's Regierungen werden seit der Unabhängigkeit im wesentlichen von zwei Parteien gestellt. Der UNP oder der soziademokratischen Sri Lanka Freedom Party (SLFP), die zur Zeit den Kern der Peoples Alliance stellt.
Die PA ist ein breites Mitte-Links-Bündnis, dem u.a. der Sri Lanka Muslim Congress (SLMC), die Communist Party of Sri Lanka (CPSL) und die trotzkistische Lanka Sama Samaja Party (LSSP) angehören.
Mit der jetzt gescheiterten Verfasssung sollten die konstitutionellen Voraussetzungen für einen dauerhaften Frieden zwischen den ethnischen Gruppen geschaffen werden.
Einer der Kernbereiche hierbei war die Dezentralisierung politischer Macht und die Schaffung einer vereinigten Nord-Ostprovinz.
Die erweiterten Verwaltungsrechte und die Bildung einer gemeinsamen Provinz in den Gebieten, wo der überwiegende Teil der Tamilen lebt, sollte ein Angebot zu weitgehender Autonomie, bei Wahrung der staalichen
Souverenität für die ganze Insel, sein.
Diese, Devolution genannte, Lösung gehörte zum Wahlprogramm der PA vor ihrem Wahlsieg im August 1994. Die Hoffnung auf einen raschen Frieden starb allerdings 1995, als der bestehende Waffenstillstand durch den Angriff der LTTE auf Schiffe der Marine in Trincomalee beendet wurde.
Die LTTE lehnt die vorgelegte Verfassung ab und fordert einen eigenständigen Staat Tamil Eelam.
Ebenfalls lehnten bedeutende Teile der buddhistischen Mönchsgemeinde, des Sangha, die Änderung ab. Sie fürchteten, ziemlich unbegründet, den Verlust des verfassungsmäßig garantierten 'formost place of Buddhism'.
Gemeinsam mit singhalesischen Nationalisten organisierten sie Demonstrationen und Aktionen bis hin zu Todesfasten.
Schließlich verweigerte sich auch die größte Oppositionspartei.
Die UNP hatte in zahlreichen Gesprächen mit der PA an einer konsensualen Lösung gearbeitet und war zu weitgehender Übereinstimmung gelangt.
Schließlich hat sie sich jedoch bei den parlamentarischen Lesungen dann doch, von dramatischen Auftritten begleitet, gegen die Änderung entschieden.
Schließlich zog die Regierung zurück. Sie hatte im Parlament eine Niederlage erlitten.
Allerdings ist auch die UNP nicht ohne Schaden aus der Auseinandersetzung hervorgegangen.
Sie verlor einige der prominentesten Politiker an neue Organisationen, bzw. an die SLFP.
Schon im Frühjahr hatten beide Großparteien einige prominente Mitglieder an die neuformierte Sihala Urumaya verloren. Die Sihala Urumaya ist eine Vereinigung singhalesisch-nationalistischer Geschäftsleute. Sie
stellt in der Frage ihrer Massenbasis eine völlig unbekannte Größe dar.
Von der UNP fielen zwei weitere Gruppen ab. Eine dieser Gruppen kooperiert jetzt mit der PA, die andere sucht einen nationalistischeren Kurs.
Als wäre dies nicht genug, kam auf Oppositionsführer Ranil Wickremesinghe weitere Ungemach zu. Zunächst wegen eines kürzlich erfolgten Treffens mit einem hohen Vertreter der LTTE in Singapur kritisiert, wurde er
jetzt durch den, vor kurzem bei der Wiedereinreise festgenommenen, ehemaligen Polizeioffizier Douglas Peiris schwer belastet.
Peiris gilt als verantwortlich für die Unterhaltung einer Folterkammer in Batalanda während der vorhegehenden UNP-Regierungszeit.
Wickremesinghe, als vormaliger Premierminister, steht jetzt unter dem Verdacht, Peiris nicht nur gedeckt und möglicherweise bei der Flucht geholfen zu haben, sondern seinerzeit auch die Anweisung erteilt zu haben,
ein Todeskommando gewähren zu lassen.
In seinem Umfeld kam es deshalb jetzt zu mehreren Verhaftungen und Fällen von Landesflucht. Darunter auch einer seiner Berater und ein wichtiger Parteiorganisator aus Colombo.
Zu guter Letzt kann sich die UNP nicht sicher sein, mit der Ablehnung der Verfassung Stimmen für die Wahl gewonnen zu haben. Es scheint, als hätte die PA in dieser Frage durchaus eine gesellschaftliche Mehrheit
hinter sich.
Daß sich die People's Alliance nicht bequem zurücklehnen kann, dafür sorgen der Krieg und die gestiegenen Lebenshaltungskosten.
Ihre, gemessen an der Region, recht erfolgreiche Regierungsbilanz hat im letzten Drittel der Regierungszeit noch ernsthafte Schäden erlitten.
Auf dem Höhepunkt der Popularität hatte Präsidentin Kumaratunga als politischen Testlauf vorgezogene Präsidentschaftswahlen ausgerufen.
Jedoch entwickelte sich der Krieg mit der LTTE bis dahin in dramatischer Weise zu Ungunsten der Regierung.
Kumaratunga gewann zwar die Wahlen, aber die Zustimmung war gesunken.
Im Frühjahr diesen Jahres drohte schließlich die Katastrophe. Nach dem Fall der Festung am strategisch bedeutenden Elephant Pass verlor die Regierung die Kontrolle über den Zugang auf die Halbinsel Jaffna.
Die Regierung erklärte deshalb Anfang Mai den Kriegszustand und führte eine weitreichende Pressezensur ein.
Die Kriegsausgaben wurden erheblich erhöht, was sich in zusätzlichen Abgaben und zurückgestellten bzw. umgewidmeten anderen Ausgabenposten ausdrückte.
Trotzdem standen nur wenige Tage später Kämpfer der LTTE vor den Toren der Stadt Jaffna. Deren Verlust hätte eine historische Entscheidung im Krieg mit der LTTE bedeutet. Und wohl auch das Ende der PA.
Den Regierungstruppen gelang es schließlich Jaffna zu halten.
Als am 7. Juni der Industrieminister C.V. Gooneratne (SLFP), zusammen mit 20 Weiteren, Opfer eines Selbstmordattentäters wurde, war klar, daß es der Armee gelungen war, die Lage zu stabilisieren.
Die Regierung war mit einem blauen Auge davon gekommen. Allerdings hat die Situation die Sinhala-Nationalisten erneut auf den Plan gerufen. Eben jene Kräfte, gegen die die PA jetzt ihre Verfassung nicht
durchsetzen konnte.
Innen- und außenpolitisch führte die Entwicklung des Krieges zu zahlreichen Verwicklungen. So bestand zeitweilig die Gefahr einer Internationalisierung des Konflikts durch mögliche Schutztruppen regionaler wie
globaler Weltpolizisten. Das Ganze unter besonderer Berücksichtigung des in der Ostprovinz gelegenen, natürlichen Tiefseehafens Trincomalee, dem zweitgrößten der Welt. In strategisch günstiger, zentraler Lage im
Indischen Ozean.
Für Unruhe sorgte auch die Wiederaufnahme von diplomatischen Beziehungen zu Israel. Als dieses daraufhin zum Waffenlieferanten wurde, geriet es nicht nur in Konkurrenz zu Lieferanten wie China und Pakistan, es
störte auch die Beziehungen innerhalb der PA mit deren muslimischen Bündnispartnern.
Fatal war besonders die Entwicklung der Lebenshaltungskosten. Diese stiegen durch die Kriegsbelastungen, eine Abwertung der Rupie und die gestiegenen Öl- und Gaspreise erheblich an.
Als erstes bekam dies die eigene Massenbasis der PA zu spüren. In den Gewerkschaften rumorte es und es kam zu Demonstrationen und Streiks.
Inzwischen hat sich die Lage wieder etwas entspannt. Hierzu haben auch verschiedene staatliche Interventionen beigetragen, u.a. durch Renten- und Pensionserhöhungen sowie Lohnerhöhungen im Öffentlichen Dienst.
Um die eigenen Reisbauern zu schützen, wurde die Einfuhr von Reis ausgesetzt.
Zudem hat sie arbeitskraftintensive Infrastrukturmaßnahmen in Angriff genommen und gefördert.
Diese und ähnliche Maßnahmen haben die Situation zunächst entschärft.
Damit sich Sri Lankas stolzes Wirtschaftswachstum aber endlich in eine Friedensdividende wandeln kann, dafür bedarf es der Beendigung des Krieges.
Dies herbeiführen zu sollen, ist das Mandat, um das die PA kämpfen will.
Ob es ihr tatsächlich gelingen wird, am 10. Oktober erneut eine Mehrheit, oder gar die erhoffte 2/3 Mehrheit zu erreichen, ist noch ungewiß.
Die UNP wird mit der Inflation dagegenhalten und ihre wirtschaftliche Kompetenz nicht zuletzt auch in Sachen Haushaltssanierung betonen.
Sri Lanka steht mit Sicherheit ein ereignisreicher Wahlkampf bevor.
Einige Nachsätze zur angestrebten Verfassungsänderung.
Im Zuge der Verfassungsänderung sollten zahlreiche Änderungen und Neuerungen zu den bisherigen Verfassungen in Kraft treten.
Mit ihr wäre der bisherige vollständige Staatsnahme Demokratische Sozialistische Republik Sri Lanka wieder zugunsten der Republik Sri Lanka zurückgenommen worden. Die Republikanische Verfassung von 1972 war das Kind der United Front,
einem Bündnis aus SLFP, LSSP und CPSL. Diese bilden heute den Kern der PA.
1977 wurden sie in Wahlen durch die rechte UNP abgelöst. Als diese sich 1978, mit ihrer 5/6 Mehrheit im Parlament, eine neue Verfassung schuf, gab sie dem Staat auch den heutigen Namen. Eine Ironie der Geschichte.
Die Änderung '78 zielte vor allem auf die Einführung der exekutiven Präsidentschaft. Damals löste die Funktion des mit weitreichenden Kompetenzen versehenen Präsidenten die des Premierministers als Chef der
Regierung ab. Eine Maßnahme, die jetzt zurückgenommen werden sollte.
Auch das aus dem britischen Wahlrecht stammende Wahlverfahren soll geändert werden. Auf die Einführung wartet jetzt das 'german model'.
Völlig neu hingegen ist die Verankerung von Kinder- und Frauenrechten.
23.08.2000
Länderbericht Sri Lanka |